Nahensteig 189 „schwarzer Hahn“ 

Sanierung eines denkmalgeschützten Hauses, mit einer “denkmalgeschützten” Gastronomie

Das Haus am Nahensteig 189 ist eines der ältesten Gebäude der Stadt. Unter dem Fundament werden die Reste eines jüdischen Ritualbades vermutet.

 

Die Historie des Anwesens wird ab 1493 in Theo Herzogs Häuserchronik beschrieben. Eine Gastwirtschaft dürfte sich spätestens ab 1812 in dem Gebäude befunden haben, als es der Bierbrauer Michael Strasser erwarb. Im Jahr 1904, unter der Führung der Brauereibesitzer Fritz und Eugen Fleischmannbekam das Gasthaus den Namen „schwarzer Hahn“ Damals war es noch ein gutbürgerliches Arbeiterlokal, in dem auch „ausgekocht“ wurde. Der rückwärtige Bereich der heutigen Gaststube diente als Küche.

Geschichte des Hauses

 

Projekttyp: Denkmalpflege, KfW Sanierung
Bauherr/Planung: F. Fichtel
Ort: Landshut
Status: abgeschlossen 2021
Leistungsphasen: 1 – 9

Basiskonzept für Restaurierung

 

Grundlage sämtlicher Maßnahmen war der umfassende Erhalt des historischen Bestandes. Konservatorisch bedenkliche Materialien in Bauteilen aus mehreren Phasen im 19. Jahrhundert wurden zum Teil entfernt, um die historische Substanz wieder frei zu legen. Die zwingend notwendige Restaurierung und Sanierung bot gleichzeitig die Chance, das Erscheinungsbild des Gebäudes sowohl ästhetisch aufzuwerten als auch seine Funktionalität zu optimieren – stets orientiert an den nachweisbaren historischen Gegebenheiten. Zeitgemäße Aufwertungen sollte dazu beitragen, die Zukunft des denkmalgeschützten Hauses, sowie seiner „denkmalgeschützten Gastronomie“ zu sichern.

 

Wichtige und wesentliche Details

1. Dach/oberste Deckenbalkenlage:

 

Die Fußpunkte zum Innenhof (Achse-A/biergartenseitig) waren leider fast an allen Deckenbalken zerstört. Eine Sanierung dieser Punkte hätte zwangsweise den gesamten Rückbau der Bohlen und der historischen Lehmschüttung zur Folge gehabt. Also wurde dieser Bereich mit einem Überzug saniert: die einzelnen Deckenbalken wurden mit Gewindestangen am Überzug aufgehängt, somit wird die verbleibende Last aus den Sparren über die Verschraubung und Lagerklötze in den Überzug geleitet. Der Eingriff in die historische Deckenbalkenlage wurde somit auf ein Minimum reduziert, lediglich die pilzbefallenen Bereiche der Bestandsbalken wurden zurückgeschnitten (Detail 01).

Gleichzeitig dient der neue Überzug auch als Auflagerpunkt für die (teilweise auch beschädigten) Sparren; und da bei einer so starken Dachneigung, die Balken- und Sparrenköpfe immer anfällig für eindringendes Wasser wären, ist das Einrücken des Auflagerpunktes auch im Sinne der Nachhaltigkeit die richtige Lösung.

Zum Ablasten des neuen Überzuges wurden drei Stahlträger in der Deckenebene eingebaut, zusammen mit den beiden Giebelwänden und einer tragenden Mittelwand bilden sie die sechs Auflager- und Ablastpunkte für den neuen Träger (Detail 04). Die Träger wurden deckengleich, parallel zu den Deckenbalken, eingebaut. Die dazwischenliegende Bohle wurde mittig aufgetrennt und anschließend in die Flansche der Stahlträger gelagert (Detail 02)

Der Anschluss der Kehlbalken zu den Sparren ist mit einem Schwalbenschwanzblatt hergestellt. Die hierzu verjüngten Holzquerschnitte wiesen durch die Umlagerung auf die Mittelpfette zu einem frühen Umbauzeitpunkt Verformungen und Schäden auf. Der Lastabtrag des oberen Binderdreieckes ist nicht mehr gewährleistet. Deswegen wurde der Knotenpunkt von uns durch eine durchlaufende schräge Pfette saniert, in der Sparren und Kehlbalken mit Vollgewindeschrauben verankert wurden. Somit ist eine statisch nachweisbare Verbindung ohne Verlaschung der teilweise sichtbaren Schwalbenschwanzverbindungen möglich. (Detail 03)

Detail 1

Detail 2

Detail 3

Detail 4

2. Südfassade

 

Ausgeschrieben wurden ausschließlich rein mineralische Mörtel- und Putzsysteme (vorwiegend kalkbasiert), ohne jegliche hydrophoben Bestandteile, mit schwach hydrophiler Grundausrüstung. Die Verwendung von zementbasierten Mörteln wurde ausgeschlossen, da gerade in Hinsicht auf die historische Bausubstanz hochhydraulische, zementbasierte Putzmörtel, mit wasserabweisenden Zusätzen, auf Grund ihrer eigenen Produkthärte und bei späterer Rissbildung, anfällig für „Hinterläufigkeit“ sind.

Durch die „bauchige“ Südfassade ist Wasser, das in die Außenwand eindringt ein großes Problem, bestes Beispiel sind die verfaulten Balkenköpfe in der Deckenbalkenlage des 1.OG (hier waren alle Balkenköpfe verfault). Eine langfristige Lösung war schwierig, denn z.B. ein Sanierputz wäre spätestens nach fünf Jahren übersättigt (nicht umsonst „Opferputz“ genannt).

Um das Eindringen von Wasser in Zukunft zu vermeiden, hätte man einen dichteren Putz verwenden können. Da eine solcher (dichter) Putzmörtel aber keinerlei rissüberbrückende Eigenschaften besitzt, würden wir eine dauerhafte Rissfreiheit des Untergrundes benötigen, was bei einer historischen Bausubstanz erfahrungsgemäß als unmöglich gilt.

 

Letztendlich entschieden wir uns für ein System, das in seiner Aufbauweise nach außen einen „durchgehend fallenden“ Festigkeitsaufbau (weich auf fest) hat und mit seiner „sinkenden Sieblinie“ eine erhöhte Wasserablaufgeschwindigkeit (sinkende Rautiefe) hat – bei  gleichzeitig dauerhafter Kapillaraktivität! Man sieht also, dass „Dichtigkeit“ kein erstrebenswertes, oder sogar notwendiges Ziel im Fassadenbereich darstellt. Es reicht, wenn die „Ablaufgeschwindigkeit“ höher als das „relative Saugvermögen des Untergrundes“ darstellbar und dauerhaft gewährleistet ist!

Durch Beachtung dieser physikalischen Regeln, besteht auch bei späterer Rissbildung immer eine schnelle, kapillaraktive Rücktrocknung des Wandbildners. (Detail 05)

 

Detail 5

3. Wandheizung/Spezialputz in der Gaststätte

 

Die Schwierigkeit bei der Auswahl des Innenputzes bestand darin, einen dämmenden Putz zu finden, der trotz Feuchtigkeit und Salzen im Untergrund ausgeführt werden kann. Es sollte ein kapillaraktives Putzsystem (Kondensat Aufnahme) mit dauerhaft nicht kapillaraktiven Luftporenanteil aufgebaut werden.

Die Wahl fiel auf ein speziellen Dämmputz, mit aufbereitetem Kork. Diese Zusammensetzung bewirkt einen guten Dämmwert, gute Feuchtepuffer bzw. Transporteigenschaften und eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber auftretenden Kristallisationsdrücken. Da der korkbasierte Dämmputz zielgerichtet auf eine höchstmögliche Reduktion des Wärmedurchgangswertes, bei gleichzeitig guten Puffereigenschaften gegenüber Salzen im Putzgrund rezeptiert ist, verstärkt er die Wirkung der Wandheizung und dient zusätzlich dem Wohlbefinden der Gäste. Außerdem, welcher Putz hätte besser in den schwarzen Hahn gepasst, als ein Putz in welchen alte Weinkorken eingearbeitet wurden?

 

Detail 6

4. Holz-Beton-Verbunddecke über Gaststätte

 

Die Deckenbalkenlage über der Gaststätte besteht teilweise aus zweitverwendeten Hölzern, einige weisen Nuten für Lehmwickel oder Bohlen auf. Dazwischen oder danebenliegende gebeilte Balken dagegen nicht. Diese Mischung der Bauteile zeigt, dass es sich hier um zweitverwendete Balken handelt. Zudem fanden wir zwischen den Holzbalken Schablonenmalereien in synthetischem Blau, daher kann die Versetzung der Balkenlage im Gaststättenbereich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgt sein.

 

Den Charakter des Hauses als „Gaststätte mit darüber liegendem Wohnraum“ beizubehalten, stellte planerisch eine große Herausforderung dar. Zum einen gehören die Gaststätte und das Kino im Erdgeschoss zum Haus dazu, zum anderen sind die Anforderungen an zeitgemäßen Wohnraum sehr hoch.

 

Die Decke über der Gaststätte wurde also als Holz-Beton-Verbunddecke ausgeführt (Detail 07):Dadurch erlangten wir eine höhere Tragfestigkeit, optimalen Schallschutz und einen verbesserten Brandschutz. Gerade letzteres ist im Denkmal ein wichtiger Punkt!

 

Detail 7

Die Verwandlung

 

Bildnachweis:    Peter Litvai
Altstadt 195 A, 84028 Landshut

Die folgenden Fotos zeigen in eindrucksvoller Weise, dass es nur durch gewerkeübergreifendes Zusammenspiel vieler Mitstreiter und sehr viel Liebe zum Detail möglich war, diesem Gebäude wieder zu seinem alten Glanz zu verhelfen

 

links: Pächterfamilie „Hösl“ vor dem Gasthaus zum schwarzen Hahn (um 1905)
rechts: Der schwarze Hahn in „neuem Kleid“ und mit altem Schriftzug. Der neue/alte Schriftzug wurde von Josip Jurakic in Handarbeit freihändig von dem alten Foto (links) nachgezeichnet.

links: Hinter einer neuzeitlichen, abgehängten Decke, kam die stark beschädigte Rieblinksdecke (1475) mit dunkler Bisterlasur zum Vorschein. Die bauzeitlichen Unterzüge sind auf der Unterseite abgebeilt und nur durch Hilfskonstruktionen notdürftig „saniert“
rechts: Mit einem Stahlträger als Zweifeldträger ertüchtigt, erscheint die historische Balken-Bolen-Decke von 1475 in altem Glanz. Die Wandlampen wurden speziell für dieses Projekt modifiziert, sodass sie die liebevoll sanierte, historische Substanz in Szene setzen, ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen.

links: Zurückgebaute Fachwerkwand der zweiten Hauserweiterung von 1691 mit bereits eingebauten Keilhölzern und somit ausnivellierter Riemlingsdecke.
rechts: Liebevoll rekonstruierte Fachwerkwand mit Sichtmauerwerk. Durch die sichtbare Reparatur mit den Keilhölzern ist der krumme Verlauf der Decke vor der Sanierung, immer noch zu erkennen.

links: Historische Riemlingsdecke mit Unterzug (1474), in pink eine der neuen Tragachsen für den Überzug der biergartenseitigen Sparrenauflagerpunkte. Im Hintergrund die Fachwerkwand, der zweiten Hauserweiterung von 1691.
rechts: Der von Kot zersetzte Bereich des Unterzugs wurde profilgleich ersetzt, die Fachwerkwand rekonstruiert und die Decke durch Keilhölzer ausnivelliert. Durch die sichtbare Reparatur mit den Keilhölzern ist der krumme Verlauf der Decke vor der Sanierung, immer noch zu erkennen.

links: „Licht am Ende des Tunnels“: Der größte Teil des Dachtragwerks von 1474, der mit der ersten Erweiterung des Hauses nach Norden errichtet worden ist, ist noch zum größten Teil vorhanden. Im Zuge der Sanierung wurde der Dachstuhl von notdürftigen Hilfskonstruktionen befreit (in diesem Foto bereits geschehen)
rechts: Von der alten Substanz und dem Dachtragwerk von 1474 blieb so viel wie möglich erhalten. Lediglich die morschen oder verfaulten Sparren- und Zerrbalken-Abschnitte wurden in bester Zimmermannskunst profilgleich mit stehendem Blatt saniert. Die für dieses Projekt modifiziert Wandlampen setzt die liebevoll sanierte, historische Substanz in Szene, ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen.

links: „Licht am Ende des Tunnels“: Der größte Teil des Dachtragwerks von 1474, der mit der ersten Erweiterung des Hauses nach Norden errichtet worden ist, ist noch zum größten Teil vorhanden. Im Zuge der Sanierung wurde der Dachstuhl von notdürftigen Hilfskonstruktionen befreit (in diesem Foto bereits geschehen)
rechts: Von der alten Substanz und dem Dachtragwerk von 1474 blieb so viel wie möglich erhalten. Lediglich die morschen oder verfaulten Sparren- und Zerrbalken-Abschnitte wurden in bester Zimmermannskunst profilgleich mit stehendem Blatt saniert.

links: Ehemalige Giebelwand nun mitten im 2.OG des Gebäudes, eine zugemauerte Ladeöffnung in der Mitte. Die Aufstockung um das 2.OG mit der Erweiterung des Hauses nach Norden (1474) ist klar erkennbar. Aus der gleichen Zeit stammt die Riemlingsdecke mit Spuren der ehemaligen Raumaufteilung aus Bohlenständerwänden.
rechts: Die ehemalige Ladeöffnung wurde als Nische ausgebildet und erinnert an frühere Zeiten. Die Keilhölzer durch die die Decke ausnivelliert wurde, dienten als Werkzeug der sichtbaren Reparatur und zeigen den krummen Verlauf der Decke vor der Sanierung.

links: Nach Abnahme des konservatorisch bedenklichen Putzes fand man dieses „Ziegel-Tetris“: Eine Wand bestehend aus verschiedenen Ziegelformaten aus 5 Jahrhunderten. Darüber die freigelegte Riemlingsdecke (1474) und links die zurückgebaute Fachwerkwand vor der Sanierung.
rechts:  Liebevoll rekonstruierte Fachwerkwand mit Sichtmauerwerk. Durch die sichtbare Reparatur mit den Keilhölzern ist der krumme Verlauf der Decke vor der Sanierung, immer noch zu erkennen. Die für dieses Projekt modifiziert Wandlampen setzt die liebevoll sanierte, historische Substanz in Szene, ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen.

links: Ehemalige nördliche Kommunwand mit Grenzstein. Bereich der ersten Hauserweiterung nach Norden (1474) mit Unterzug und Riemlingsdecke aus dieser Zeit. Einige ehemalige Öffnungen in der Nordfassade sind ab 1691 zugemauert worden.
rechts: Liebevoll rekonstruierte Riemlingsdecke erstrahlt in altem Glanz. Die für dieses Projekt modifiziert Wandlampen beleuchten nicht nur den Raum, sondern auch die liebevoll sanierte, historische Substanz, ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen.

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Architekturbüro M. Arch. Filip Fichtel
Sendlinger Str. 29
80331 München

mail.: info@filipfichtel.com

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